Protect Me: Thomas

 

Die Geschehnisse bei JB-Industrials spitzen sich zu und das Team steht kurz vor dem Durchbruch. Nach monatelangem Terror, stehen die Drahtzieher hinter den Anschlägen fest und könnten mit etwas Glück überführt werden. Dass Thomas dafür ausgerechnet mit der neuen Kollegin UND seiner Ex-Freundin zusammenarbeiten muss, verschärft die Lage enorm.
Doch gegen Liebe kann man sich bekanntlich nicht wehren, vor allem, wenn sie in Form einer 1,55 Meter kleinen Krav-Maga-Göttin in dein Leben platzt, oder?

Leseprobe:

1 Die Neue

THOMAS

Eigentlich liebte Thomas seine Arbeit bei JB-Industrials. Das Unternehmen hatte die besten Arbeitsbedingungen, und als Personenschützer für den Chef Ryan Black persönlich war seine Arbeit perfekt.

Zumindest war das so, bevor eine Anschlagsreihe das Unternehmen heimsuchte. Ihren Höhepunkt hatten die Anschläge vor wenigen Wochen gefunden, als eine Bombe im Keller des Unternehmens explodiert war.

Thomas hatte kein Problem damit, in der Abteilung auszuhelfen, gerade in so einer schwierigen Zeit.

Im Gegenteil, seit Mr. Black geheiratet hatte, hatte Thomas sowieso viel zu wenig zu tun. Mr. Black ging kaum noch aus, arbeitete viel von Zuhause aus und brauchte ihn daher eher selten.

Die Arbeiten im Bereitschaftsdienst oder bei Begehungen der Immobilienabteilung waren nicht die spannendsten, aber immerhin hatte er etwas zu tun.

Er hatte seine Arbeit wirklich gemocht, bis man ihm ein neues Teammitglied beiseitegestellt hatte. Vier Wochen arbeitete Anni jetzt bereits beim Security-Service. Vier lange Wochen, in denen sie ihm quasi nicht von der Pelle rückte.

Anni war Lexys Nachfolgerin, seit diese wegen ihrer Schwangerschaft ausgefallen war. Irgendwie war Thomas zu der zweifelhaften Ehre gekommen, Anni einlernen zu dürfen.

Die Argumente, die dafürsprachen, waren ziemlich eindeutig. Neben Dario und Dean war er der Dienstälteste.

Dario hatte als Vorgesetzter wegen der Anschläge alle Hände voll zu tun. Dean war so mundfaul, gerade dann, wenn jemand nicht zu einhundert Prozent auf seiner Wellenlänge schwamm, dass er Anni überhaupt nichts beibringen würde. Dean hatte es genau einen Tag mit Anni ausgehalten, dann war er wutentbrannt in Darios Büro gestürmt und hatte gesagt, dass er sofort kündigen würde, wenn er sie nicht loswurde.

Thomas hatte sich zunächst über die Zimperlichkeit seines Kollegen geärgert. Was konnte so eine süße, junge Frau wie Anni schon tun, was einen so zur Raserei trieb?

Und süß war sie wirklich. Anni war noch kleiner als Lexy, vielleicht 1,55 Meter groß, hatte rote, lockige, ungefähr schulterlange Haare und niedliche, kleine Sommersprossen.

Ihre Figur war zierlich, und sie sah so zerbrechlich aus, dass Thomas sich beim ersten Mal, als er sie gesehen hatte, gefragt hatte, wie sie diesen Job überhaupt würde machen können.

Sie sah eher so aus, als müsste sie beschützt werden, und nicht, als könnte sie jemanden beschützen.

All das hatte sich sehr schnell als absolute Fehleinschätzung herausgestellt. Eine wirklich gewaltige Fehleinschätzung sogar. An Anni war nichts süß und schutzbedürftig. Sie war eine kleine Bestie, sie hatte den schwarzen Gürtel in Krav Maga, einer Nahkampfkunst, und die mit Abstand besten Schießergebnisse der gesamten Abteilung. Während dieser Einheiten, oder einem Einsatz, war sie die perfekte Mitarbeiterin. Alles, was darüber hinausging, trieb ihn in den Wahnsinn.

Thomas hätte nicht gedacht, dass es jemals jemanden geben würde, der ihn mehr in den Wahnsinn trieb als Ray oder Chase, aber Anni toppte alles!

Es war, als könnte sie einfach nicht ernst bleiben, sobald etwas Langeweile aufkam. Sie zog jeden in ihrer Umgebung gnadenlos auf.

Das Schlimmste war aber, dass sie dann auch grundsätzlich damit anfing, auf Teufel komm raus zu flirten.

Genau, wie sie es in diesem Moment tat. Ihre Augen funkelten, während sie versuchte, ihn mit schmollend hervorgeschobener Unterlippe zu einem Sparring zu überreden.

"Wir haben Bereitschaftsdienst, Anni", erinnerte er sie und versuchte zu ignorieren, wie ihre kleinen, prallen Brüste gegen seinen Unterarm drückten. Er wollte sie nicht heiß finden, aber zumindest vom Aussehen her war sie genau sein Typ Frau. Sein in letzter Zeit etwas vernachlässigter unterer Körperteil interessierte sich reichlich wenig dafür, was er wollen sollte.

Für seinen Schwanz war es eine einfache Gleichung. Anni ist heiß, Anni will ihn und er will Anni. Dass sie seine Kollegin war und ihn den halben Tag auf die Palme brachte, spielte dabei keine Rolle.

Genau in diesem Moment kam ein reichlich gestresst wirkender Dean in den Raum. Ein Blick auf Anni genügte und seine Miene verfinsterte sich noch mehr. Irgendwann würde Thomas Dean fragen müssen, was genau Anni getan hatte, um ihn so zu verärgern.

"Ach, jetzt komm schon, es ist doch sowieso nichts los, wir müssen hier doch nicht zu dritt rumsitzen und warten", nörgelte Anni weiter. "Außerdem sind wir nur drei Räume weiter und können sofort wieder hier sein, wenn plötzlich ein Haufen Arbeit auf uns zukommt."

"Sparring?", fragte Dean, und Thomas wunderte sich, dass er sich überhaupt für irgendwas interessierte, was nicht mit Amelie zu tun hatte.

Thomas nickte.

"Geht nur, wenn ich weggerufen werde, sage ich Bescheid." Dean wandte sich wieder seinem Handy zu, als wäre nichts gewesen.

"Klasse! Danke, Dean!", rief Anni und verschwand aus dem Bereitschaftsraum.

"Ja, danke, Dean! Es ist unglaublich lustig, von einem winzigen Mädchen auf die Matte geworfen zu werden", brummte Thomas.

Dean zuckte nur mit den Schultern.

"Warum hast du das getan?", fragte Thomas.

Dean sah auf, und etwas, was ziemlich nahe an einen zufriedenen Gesichtsausdruck heranreichte, war zu sehen.

"Weil ich sie so aus dem Raum habe." Dean sagte das, als wäre es eine völlig plausible und gerechtfertigte Erklärung.

Thomas biss die Zähne zusammen und erinnerte sich daran, dass Dean eigentlich sein Freund war und er ihn nicht umbringen sollte.

ANNI

Mehr als nur frustriert stand sie nach dem Sparring unter der Dusche, die wohl gleichzeitig ihre Feierabenddusche werden würde. Nicht mehr lange und ihre Schicht wäre zu Ende. Wieder ein Tag, der mehr oder weniger mit Warten vorübergegangen war.

Dean hatte bereits seit über einer Stunde Schluss und Thomas war zu einem Auftrag für Mr. Black gerufen worden, zu denen sie grundsätzlich nicht eingeladen war.

Ihr war langweilig. Der ganze Job war langweilig. Genau genommen bestand er nur daraus, dass sie irgendwo saß und wartete oder irgendwelche Typen zu langweiligen Schauplätzen fuhr.

Sie hatte keine Ahnung, wie Luce es geschafft hatte, sie hierzu zu überreden. Bestimmt war es wieder eine dieser Ich-mach-mir-Sorgen-um-dich-Ansprachen, mit denen er sie weichgeklopft hatte.

Mit 25 Jahren und ihrer Ausbildung war sie aber mehr als nur imstande dazu, auf sich selbst aufzupassen. Nicht umsonst hatte Pablo sie immer gern in seiner Nähe gehabt.

Das einzig Gute an diesem Job war Thomas. Er war absolut umwerfend. Sechs Jahre älter als sie, mindestens dreißig Zentimeter größer und verdammt gut gebaut.

Würde er nicht immer so angespannt dreinschauen, hätte er das Aussehen eines Surferboys. Blonde, kurze Haare, blaue Augen, eine gerade Nase und weiße Zähne, die unter vollen Lippen hervorblitzten. Zumindest taten sie es dann, wenn er sich mal zu einem Lächeln überwinden konnte.

Dass dieses Lächeln so gut wie nie ihr galt, ärgerte sie ungemein. Es schien, als könnte er mit jedem lachen außer mit ihr. Dabei versuchte sie wirklich ihr Bestes. Wenn überhaupt, ergatterte sie ein anerkennendes Lächeln, wenn sie zusammen mit ihm trainierte.

Eine Faust hämmerte gegen die Tür des Duschraumes und ließ sie kurz zusammenzucken.

"Anni? Wir haben einen Auftrag, Abfahrt in zehn Minuten!", rief Thomas.

Sofort schaltete sie die Dusche aus und trocknete sich ab. Thomas klang selten so in Eile. Er war eigentlich eher der ruhige, besonnene Typ.

Sie war froh, dass sie die Haare nicht gewaschen hatte, so musste sie den unordentlichen Knoten nach dem Anziehen nur durch einen festen Pferdeschwanz ersetzen.

Keine fünf Minuten nachdem Thomas ihr Bescheid gesagt hatte, stand sie bereits im Gemeinschaftsraum.

Thomas sah sie ein wenig verwundert an, schüttelte aber nur den Kopf.

"Wir müssen los", murmelte er und ging dann an ihr vorbei in Richtung der Garagen.

"Worum geht es?", fragte sie und konnte nicht umhin, seinen Knackarsch in der engen Anzughose zu bewundern.

"Wir müssen eine Zeugin bewachen", antwortete er und öffnete mit der Fernbedienung eine der Audi-Limousinen, die zur Securityabteilung gehörten.

Anni musste nicht auf das Kennzeichen schauen, um zu wissen, dass es der Wagen 21 war, den Thomas bevorzugte. Jeder in der Abteilung würde den A8 am liebsten fahren, aber er war nun mal für Mr. Black und damit für Thomas reserviert.

Er lenkte den Wagen sehr schnell, aber immer kontrolliert und sicher durch den Feierabendverkehr.

"Dario hat mich angerufen. Ich habe nicht allzu viele Details über den Auftrag. Unser Schützling heißt Lindsey Peark. Sie ist dreißig Jahre alt und kommt ursprünglich aus Boston. Sie hat Informationen über den Drahtzieher der Anschläge auf JB-Industrials. Wichtig in diesem Fall, was auch der Grund ist, warum wir zu zweit gerufen wurden, ist, dass wir Lindsey nicht nur beschützen müssen, sondern auch dafür sorgen müssen, dass sie nicht untertaucht."

Anni nickte, auch wenn sie das Gefühl hatte, dass Thomas ihr eine ganze Menge verschwieg. Es war die Art, wie er sprach, die sie zweifeln ließ.

"Laut Lindsey ist der Drahtzieher Robert Gabler. Er ist Skyler Blacks Exfreund."

Anni runzelte die Stirn. "Die Frau vom Boss?", fragte sie. 

Thomas nickte. "Dieser Typ ist besessen von Mrs. Black. Er hat sie vor ein paar Jahren entführt und schwer misshandelt. Seitdem sitzt er in Deutschland im Gefängnis."

Mrs. Black erschien vor Annis innerem Auge. Die wunderschöne, blonde Frau mit den zwei entzückenden Babys. Man sah ihr überhaupt nicht an, dass sie schon so viel hinter sich hatte.

Eine schwere Vergangenheit hinterließ für gewöhnlich Spuren auf einem Menschen. Es war dieses ganz bestimmte Leuchten in den Augen, das Opfern von Gewalt für gewöhnlich fehlte. Anni hatte mehr als einmal mit angesehen, wie dieser Funken nach und nach oder auch auf einen Schlag in den Augen einer Person verblasste.

"Wer sind die Mittelsmänner?", fragte sie.

"Bislang waren es Frederico Lorca und sein Onkel in Deutschland. Nach Lindseys Aussage sucht Robert jetzt nach neuen Wegen."

Anni nickte. Sie hatte mitbekommen, dass Lorca Aufträge angenommen hatte, die nicht von der Spitze abgesegnet gewesen waren. Innerhalb der Bruderschaft hatte das zu großen Reibereien geführt.

"Kann ich mir vorstellen", murmelte sie und runzelte nachdenklich die Stirn.

Thomas parkte den Wagen und sah sie fragend an. "Was meinst du damit?"

"Nachdem die Führung der Bruderschaft ziemlich deutlich gemacht hat, dass eine Beteiligung in dieser Angelegenheit nicht gewünscht ist, wird sich nach Lorca bestimmt keiner mehr die Finger daran verbrennen wollen", sagte sie, löste ihren Gurt und stieg aus.

Nur einen Augenblick später war Thomas um den Wagen herumgegangen und war wieder neben ihr.

"Was weißt du davon und warum?", fragte er.

Anni zuckte die Schultern. "Nicht viel. Ich war nur einmal mit Pablo unterwegs, als er einem der Läufer diese Anweisung gab."

"Woher kennst du den Boss der Bosse?"

Anni lächelte. "Du musst noch ein bisschen an unserer Beziehung arbeiten, wenn du all meine Geheimnisse wissen willst, Darling."

Thomas schnaubte auf diese ganz spezielle Art, bei der sie mittlerweile wusste, dass sie ihn erfolgreich abgewehrt hatte.

Leider Gottes schien sie ihn am schnellsten von einer einmal entdeckten Fährte abzulenken, wenn sie mit ihm flirtete. Dann trat er prinzipiell schnellstmöglich die Flucht an.

Es war nicht so, als wollte sie wirklich etwas über ihre Vergangenheit verheimlichen, aber sie war eben vorsichtig.

Luce hatte alle Informationen, die Anni zu diesem Fall hatte, bereits bekommen. Sie kannte Luce schon ihr halbes Leben lang, und sie vertraute darauf, dass Luce sie nicht in die Scheiße reiten würde.

Wie viel aus ihrer Vergangenheit Thomas zu sehen bekam, hing stark davon ab, wie sehr er selbst gewillt war, sich ihr zu öffnen. Sie würde sich bestimmt nicht für nichts und wieder nichts zur Zielscheibe machen.

Sie folgte Thomas ein dunkles Treppenhaus nach oben. Schon von Weitem hörte sie Dario Benson schreien. Verwirrt runzelte sie die Stirn. Sie hätte nicht gedacht, dass jemand Dario so sehr aus der Fassung bringen konnte.

Als sie Deans Wohnung betraten, versuchte sie zuerst die Lage zu sondieren. In dem eher kleinen Wohnzimmer waren mehr als zehn Personen, die alle wild durcheinanderredeten.

Dario stritt sich mit einer schönen Brünetten, die Anni nicht kannte. Bei ihnen standen Ash und Mr. Moreno. Ebenfalls Teil der Gruppe waren zwei Polizeibeamte und Matthew Fox, der Anwalt von JB-Industrials.

Auf dem Sofa saß Amelie, die eine Nachricht in ihr Handy tippte, und neben ihr saß Dean.

Thomas und Anni näherten sich den beiden und bekamen gerade noch das Ende von Deans Satz mit. "Nachdem wir die Sache mit dem Sex erst mal hinter uns hatten, ist sie meine beste Freundin für mich geworden. Und ja, ich hab ihr vielleicht das ein oder andere Mal zu oft aus der Scheiße geholfen, aber ich bin definitiv schlauer geworden."

"Bist du nicht", sagte Thomas in einem irgendwie komischen Tonfall und setzte sich neben Dean.

"Deine Einschätzung von Lindsey ist auch nicht unbedingt objektiv", knurrte Dean ungewohnt heftig.

Wer auch immer diese Lindsey war, sie spielte eine nicht gerade unwesentliche Rolle.

"Meine Einschätzung muss nicht objektiv sein. Ich weiß, dass sie ein Biest ist, aber du nimmst sie trotzdem in Schutz."

"In diesem speziellen Fall wäre etwas Objektivität bestimmt nicht fehl am Platz. Lindsey ist hier, um uns zu helfen. Es wäre schön, wenn du deinen eigenen Groll ein wenig zurückstecken könntest!" Dean schien ernsthaft sauer zu sein.

Irgendetwas war zwischen den dreien – wenn Anni Darios Geschrei richtig interpretierte, sogar zwischen den vieren – vorgefallen. Sie verhielt sich möglichst unauffällig in der Hoffnung, dass sie so lange weitersprachen, bis Anni mehr erfahren hatte.

"Von dir! Sei doch ehrlich, wäre Amelie nicht gewesen, hättest du Lindsey einfach gehen lassen!" Thomas funkelte Dean wütend an.

"Hätte ich nicht; ich habe mit ihr gesprochen, sie hätte eingelenkt", hielt Dean dagegen.

"Niemals, Lindsey denkt immer nur an sich selbst!"

Dean schüttelte den Kopf. "Das stimmt nicht, du bist nur so verbittert, dass du es überhaupt nicht sehen kannst."

Bevor die beiden mehr ins Detail gehen konnten, streckte sich Amelie und küsste Dean auf den Mund. Fast schon verwundert sah er zu ihr hinab.

"Ich liebe dich", flüsterte sie.

Das Lächeln, das sich auf Deans Gesicht ausbreitete, war so vollkommen anders als jeder Gesichtsausdruck, den Anni bislang bei ihm gesehen hatte. Fasziniert beobachtete sie, wie Dean sanft ihre Wange streichelte. "Ich liebe dich", sagte er dann. Einfach so. Ein Mann. Ein Macho-Mann. Einfach so!

Gelinde gesagt war sie fassungslos. Dean war ein ganz anderer Mensch, wenn er mit Amelie zusammen war.

"Okay, Thomas, du wohnst doch im Moment sowieso in der großen Firmenwohnung, oder?", fragte Mr. Moreno, der zu ihnen ans Sofa getreten war.

Thomas nickte zögerlich, als würde ihm nichts Gutes schwanen. "Ja, bis ich eine neue, geeignete Wohnung gefunden habe."

Mr. Moreno nickte. "Perfekt. Dann kann Lindsey ja bei dir wohnen. So haben wir sie gut im Blick und sie ist in Sicherheit."

Ein Blick in Thomas' Gesicht reichte, um zu sehen, dass allein der Gedanke ihm sauer aufstieß.

"Für die Zusammenarbeit wäre es vielleicht besser, wenn ich auch dortbleiben würde", sagte Anni, ehe sie sich davon abhalten konnte.

Mr. Moreno zog die Augenbrauen zusammen. Anni war durchaus bewusst, dass er sie nicht sonderlich gern mochte und dass Luce sich für sie verbürgt hatte, damit sie diesen Job bekam, dennoch ging ihr dieses Misstrauen langsam auf die Nerven.

"Es gibt nur zwei Schlafzimmer", warf Thomas ein. Die Aussicht, mit Lindsey und ihr in einer Wohnung zu sein, schien ihn wirklich nervös zu machen.

Anni zuckte mit den Schultern. "Mir reicht eine Couch."

Die Falte zwischen Mr. Morenos Augenbrauen wurde noch steiler.

"Eine zweite Frau ist vielleicht nicht die schlechteste Idee", warf Dario ein, der gerade zu ihnen kam. Ash folgte ihm, während die Beamten und Matthew sich verabschiedeten. Sie standen nun alle um das Sofa versammelt, jeder mit einem ganz eigenen Ausdruck auf dem Gesicht.

Dean schüttelte den Kopf. "Ich glaube nicht, dass das gut gehen wird."

"Meine Güte, ich werde sie schon nicht umbringen, Dean", sagte Lindsey und ließ sich auf die Armlehne neben Amelie sinken.

Mr. Moreno schnaubte. "Ich habe eher umgekehrt die Befürchtung. Pablos Pitbull ist alles zuzutrauen."

Sie ließ sich nicht anmerken, dass Mr. Morenos Antwort sie traf. Leider war sie sich ziemlich sicher, dass er es ernst meinte. Dass er sich nicht sicher war, ob Anni nicht eine Zeugin für Pablo aus dem Weg räumen würde, egal, was Luce versprochen hatte.

Bevor sie noch genauer darüber nachdenken konnte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit lieber der Zeugin zu.

Lindseys Blick wanderte langsam über Anni. Sie wusste genau, was die andere Frau dachte. Lindsey fühlte sich ihr gegenüber überlegen. Geistig, körperlich und kämpferisch. Gut so! Je schwächer ein Gegenüber einen hielt, desto leichter konnte man ihn überwältigen.

Anni versuchte so unschuldig wie möglich auszusehen und lachte dann auf diese leise Püppchen-Tour, die sie für ihren Job perfektioniert hatte.

"Keine Sorge, Lindsey und ich werden bestimmt beste Freundinnen!", zwitscherte sie dann.

Alle, die sie kannten, erstarrten sofort, was Anni sagte, dass sie zu dick aufgetragen hatte und alle nun vom Schlimmsten ausgingen.

Nur Lindsey musterte sie auf einmal deutlich interessierter. "Könnte interessant werden", murmelte sie.

Dean stöhnte, und während Mr. Morenos Blick noch skeptisch zwischen Lindsey und Anni hin und her schoss, redete Ash schnell und leise auf Dario ein. Thomas schien irgendwie resigniert, ein Ausdruck, den Anni auf seinem sonst immer beherrschten Gesicht fast schon witzig fand.

Lindsey klatschte in die Hände. "Sehr schön, sind wir uns ja alle einig!"

Dann nahm sie die zwei gepackten Taschen neben der Couch und schulterte eine davon. "Wie sieht's aus, meine Mitbewohner, können wir los?"